Montag, 31. Juli in Äänekoski
00:38 Uhr (finnische Zeit) Als ich mich ein bisschen besser gefühlt habe, bin ich runter in die Küche, um mir was zu essen zu holen. Meine Hostsister war tatsächlich gerade dabei, mir etwas zu kochen, da sie sich Sorgen gemacht hat. Meine Hostmum kam auch ganz aufgeregt in die Küche, öffnete den Kühlschrank und überreichte mir zwei kleine, in Klarsichtvollie eingepackte Stück Käse. „It is for you. I found it. You have to get better soon.“ Als ich mir das Etikett genauer anschaue, sehe ich, dass es original Schweizer Käse ist. Also wirklich Käse aus der Schweiz. Gruyère und Appenzeller. Diese kleine Geste hat mich so sehr gefreut. Meine Hostmum ist Apothekerin und hat mir auch alle möglichen Medikamente und Vitamine gebracht. Es wird wirklich gut zu mir geschaut und ich bin richtig gerührt.
In der ganzen Familie ist so viel Liebe zu spüren. Jede*r darf einfach sein, wie er/sie möchte. Es wird über alles offen gesprochen, es gibt wohl kaum Geheimnisse oder Tabus und was mich am meisten freut mitanzusehen ist wie viel hier gelacht wird. Ich kann es nicht wirklich in Worte fassen, aber ich spüre viel Liebe, Toleranz, Respekt, Vertrautheit, Vertrauen und Spass in der ganzen neunköpfigen Familie.
Den Rest des Abends haben wir vor dem Fernseher versammelt verbracht. Mein Hostdad möchte mir unbedingt die finnische Geschichte näher bringen. Wie bereits erwähnt, sind der Winterkrieg und der zweite Weltkrieg ein grosser Teil der Geschichte Finnlands. Das war mir vor meiner Reise nicht bewusst. Es ist spannend, das alles zu erfahren und zu merken, wie sehr diese Geschehnisse das Land geprägt haben, oder immer noch prägen. Da kann die Schweiz nicht mithalten. Da einigten sich halt mal drei Männer, dass jetz da die Schweiz ist und 700 Jahre später sind wir da halt immer noch. „Boring but good.“, lautet der finnische Kommentar. Damit bin ich einverstanden.
Das Gespräch drehte sich dann unweigerlich auch um den Krieg in der Ukraine. Irgendwie wird schon davon ausgegangen, dass der Angriff Russlands kommen wird. Aber Angst spüre ich keine. Die Finn*innen sind ein stolzes Volk, die ihr Land verteidigen wollen und positiv gestimmt sind, was ihre Chancen gegen Russland angeht. Meine beiden Gastfamilien haben sich Gedanken gemacht, wo Russland wohl am ehesten angreifen würde und was sie machen würden, wenn es soweit wäre. Auch wenn ich viele Gespräche mit grossem Interesse mitverfolge, ich mich im (noch nicht) betroffenen Land aufhalte, und ich mich der russischen Grenze mit jedem Gastfamilienwechsel nähere, ist für mich das Ganze nicht wirklich fassbar. Vielleicht ist das auch besser so.