Mittwoch, 2. August in Äänekoski
02:36 Uhr (finnische Zeit) Wo soll ich anfangen? Wohl am besten am morgen.
Also es war Mittag, bis ich aufgestanden bin. Meine Erkältung lässt meinen Kopf ganz schön brummen, aber ich will mir davon nicht den Spass verderben lassen. Wir haben den lieben Nachbarn auf seiner Arbeit besucht. Er arbeitet über den Sommer in einem Freizeitpark.
Danach sind wir zurück nach Hause und ich habe angefangen, das Abendessen vorzubereiten. Das hat ganz schön lange gedauert, Rösti für 10 Personen zu kochen. Ich war so beschäftigt in der Küche, dass ich nicht mitbekommen habe, was draussen vor sich geht. Als ich plötzlich von irgendwo her die Schweizer Nationalhymne gehört habe, wagte ich einen Blick ins Wohn- und Esszimmer. Da bliebt mir fast die Luft weg. Die jüngsten zwei Geschwister haben den ganzen Nachmittag aus Papier kleine Schweizer Fahnen gemacht und daraus Girlanden gebastelt. Diese hingen nun im ganzen Wohnbereich an der Decke. Der Tisch war schön gedeckt und in der Vase standen frische Blumen aus dem Garten. Weisse und Rote. Im TV lief über YouTube die Schweizer Nationalhymne mit finnischem Untertitel. Alle Familienmitglieder hatten ein rotes und/oder weisses Kleidungsstück an. Der Jüngste hatte sich sogar ein Schweizer Kreuz auf die Wange gemalt.
Klar habe ich meiner Gastfamilie erzählt, dass am 1. August der Schweizer Nationalfeiertag ist und dass ich gerne Rösti für sie kochen möchte. Aber mit so etwas hätte ich nie gerechnet. Ich war, oder bin immer noch, richtig gerührt. Nachdem wir das Schoggifondue in Rekordzeit gegessen haben, sassen wir bis vorhin zusammen (die üblichen Verdächtigen: meine älteste Hostsiter, der liebe Nachbar und ich) und haben philosophiert. Über die Schweiz, wir haben einen kleinen Schweizerdeutschkurs veranstaltet, über Finnland, Nationalhymnen, den Krieg (klar), das Oktoberfest, Halloween, den Winter, und, und, und. Ich hatte einen so schönen Abend und habe viel gelacht.
Es ist erstaundlich wie gut man sich mit Menschen verstehen kann, die nicht die gleiche Sprache sprechen. Klar verständigen wir uns auf Englisch und wir beherrschen die Sprache auf einem guten Niveau, aber es ist trotzdem nicht unsere Muttersprache. Das spielt alles keine Rolle, wenn das Gefühl und die Chemie stimmt.
Morgen ist mein letzter Tag hier. Am Donnerstag geht es weiter zur nächsten Gastfamilie. Der Abschied wird mir bestimmt wieder schwer fallen.