Schweizer Recyclingfirmen – Das Interview mit der Gasser-Balsiger AG
Da mich immer wieder Gedanken rund um das Abfallsystem in der Schweiz beschäftigt haben, fasste ich den Entschluss, Recyclingfirmen anzuschreiben, damit ich einen Einblick in ihr Tun erhalte. Dank einer Freundin trat ich mit Jenny in Kontakt. Sie arbeitet bei der Gasser-Balsiger AG in Gelterfingen. Ihr durfte ich meine Fragen rund um das Recyclingsystem in der Schweiz stellen.
Liebe Jenny, stelle dich und die Gasser-Balsiger AG doch kurz vor.
Seit der Gründung des Betriebes 1925 durch Ernst Balsiger, der damals als sogenannter „Hudilumper“ mit Ross und Wagen allerlei Altwaren wie Knochen, Tierhaare, Wollsachen und Lumpen sammelte, hat sich sehr viel geändert. Damals waren LSVA oder CO² Abgaben kein Thema. In den 50ziger Jahren übernahm sein Sohn den Betrieb und kaufte sich den ersten Lastwagen. Das Sammelgut hat sich mittlerweile stark erweitert. Die rasante technische Entwicklung nach den Kriegsjahren erzeugte vielseitigen Abfall wie Kunststoffe, Alteisen, Aluminium sowie immer grössere Mengen an Papier und Karton. Vorerst wurde sämtlicher Abfall unsortiert in der Grube entsorgt. Schon bald aber wurde eine umweltgerechte Abfallbeseitigung mit Abfalltrennung und Wiederverwertung von kostbaren Rohstoffen zum Thema.
1979 übernahmen Hans und Verena Gasser-Balsiger den Betrieb und bauten allmählich die Firma zum Recycling-Spezialbetrieb aus.
Durch stetige Weiterentwicklung und innovativen Ideen konnte sich der Betrieb laufend weiterentwickeln.
2005 Die neu erbaute Recyclinghalle inkl. Büro, Kantine und Fundgrube erwies sich als längst überfällig. Ein neuer Meilenstein in der Geschichte wurde gesetzt. Weitere Baumassnahmen wie Ölabscheider, Koaleszenz Filter und LKW-Waage wurden fortlaufend umgesetzt.
2008 Seit diesem Jahr sind wir nun offiziell nach ISO 9001/14001 zertifiziert und können den heutigen Bedürfnissen unserer vielseitigen Kundschaft gerecht werden. Kommunen, Spitäler und zertifizierte Betriebe dürfen oft nur Entsorger beauftragen, die selbst jährlich ISO-Zertifiziert werden.
2013 Nach sieben Jahren als Werkhofmitarbeiter, Chauffeur und Geschäftsführer startet Christoph Zimmermann mit seiner jungen Familie Jennifer, Giuliana und Livio als 4. Generation des Familienbetriebes in ein neues Abenteuer. Als gelernter Elektromonteur mit diplomiertem Abschluss als Wirtschaftsfachmann und Ausbildung als Prüfungsexperte Recyclist/in EFZ engagiert er sich für die Zukunft und Ausbildung der nächsten Generation.
2015 Erste erfolgreiche Lehrlingsausbildung abgeschlossen. Wir sind stolz, unseren eigenen Nachwuchs selbst auszubilden und durften mit Raffael Ringgenberg einen engagierten Recyclisten mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis gewinnen.
2017 Durch stetige Verbesserungen und Investitionen konnten wir uns für weitere 3 Jahre nach der neuen Norm 9001:2015 Qualitätsmanagement und 14001:2015 Umweltmanagement zertifizieren. Darunter fallen Recycling und Entsorgung, Muldenservice und die weitbekannte und einzigartige Fundgrube.
2018 Inbetriebnahme der Solaranlage 50 KW auf dem Betriebsgebäude. Somit können wir mit unserer eigenen Sonnenenergie recyclen!
Die Anlage wurde vom Naturpark Gantrisch als Innovationspreis mit einem 2. Platz geehrt.
2019 Übernahme WELAKI Muldentransport und Chauffeur von Firma Siegenthaler GmbH die wegen eines tragischen Arbeitsunfalles
die Firma per 01.02.2019 auflösen musste. Ab sofort können wir Sie im Muldenservice noch umfangreicher und vielseitiger bedienen.
Unsere 3. Lehrtochter hat die Lehre als Recyclist/in EFZ gestartet.
2020 Erfolgreiche ISO-Rezertifizierung für die nächsten 3 Jahre. Die Qualität unserer Arbeit wurde somit offiziell bestätigt.
Was ist der Unterschied zwischen einer Entsorgungs- und einer Recyclingfirma?
Entsorgung ist der zentrale Teil der Abfallwirtschaft. Hierzu gehören zum Beispiel das Einsammeln und Befördern von Abfällen durch die Müllabfuhr, Recyclingverfahren zur Gewinnung von Sekundärrohstoffen, die Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen zur Erzeugung von Energie oder die Ablagerung auf Deponien. Als Recycling bezeichnet man den Prozess der Wiederaufbereitung von weggeworfenen Wertstoffen zu einem neuen Produkt. Das ursprüngliche Produkt wird in diesem Prozess, meist durch ein Schmelzverfahren, zerstört. Aber der gewonnene Wertstoff wird für die Herstellung neuer Produkte verwendet.
Erklär uns doch mal den Ablauf einer Recyclingfirma.
Wir nehmen den Abfall von den Kunden entgegen. Entweder sie bringen diesen direkt zu uns oder wir holen die Ware bei den Kunden ab. Auf Platz wird der ganze Abfall sortiert. Ein Teil wird endgültig entsorgt, ein Teil wird zur Wiederverwendung weitergeleitet. Bei uns wird alles, was zu schade zum Wegschmeissen ist, in unserem Fundgrube-Lädeli weiterverkauft. Von Kleidern über Spiele bis hin zu Küchenutensilien und Möbeln kann alles bei uns günstig Secondhand gekauft werden.
Spürt ihr, dass das Thema Recycling wichtiger wird?
Bei der jüngeren Generation auf jeden Fall. Wir haben ab und zu Schulklassen, die uns besuchen kommen. Wir geben ihnen jeweils den Auftrag, Abfall von zuhause mitzunehmen. Dann können sie diesen vor Ort richtig entsorgen. Es ist dann immer schön zu sehen, dass die Kinder das Gelernte mit nach Hause nehmen und auch die Eltern so sensibilisiert werden.
Würdest du sagen, dass das Schweizer Abfall- und Recyclingsystem nachhaltig ist?
Es braucht auf jeden Fall viel Strom und Energie, um die Firma zu betreiben. Und doch ist es nachhaltig, Dinge, anstatt wegzuwerfen, wiederzuverwenden. Man sollte sich jedoch schon vor dem Kauf von Produkten gut überlegen, ob man das jetzt wirklich braucht oder nicht.
Wird der Müll vor Ort noch mal getrennt, bevor er verbrannt oder recycelt wird?
Ja. Wir sortieren den Abfall vor Ort immer, wenn dies nicht schon vom Kunden erledigt wurde. Da werden auch Teile auseinandergenommen und die einzelnen Materialien separat weitergeleitet.
Warum gibt es in der Schweiz keine Pfandsysteme wie in Deutschland?
Es gibt ein ähnliches System, was die Kunden jedoch meist nicht merken. Beim Kauf wird eine Gebühr bezahlt, die die Entsorgung beinhaltet. Es fühlt sich also so an, als wäre die Entsorgung kostenlos, dabei wurde diese einfach beim Kauf schon mitbezahlt.
Wie kann ich als Einzelperson mitwirken, um wirklich etwas dazu beizutragen?
Keine unnötigen Dinge kaufen. Lieber mal was reparieren lassen, statt immer alles neu zu kaufen. Den Abfall zuhause sauber trennen und das Wissen weitergeben, damit es möglichst viele Menschen richtig machen.
Wieso wird an gewissen Sammelstellen Glas nach Farben getrennt und an manchen Orten nicht?
Wird das Glas bei der Entsorgung getrennt, dann wird es recycelt und wiederverwendet. Es entsteht also wieder Glas. Bei gemischtem Glas ist es so, dass dieses entweder verbrannt wird oder im Strassenbau als Belagmischung eingesetzt wird.
Was ist das Geschäftsmodell einer Schweizer Recyclingfirma?
Die Materialien, die wir trennen und sammeln, können wir zur Wiederverwendung weitergeben. So verdienen wir unser Geld. Je reiner die Materialien, desto höher der Verkaufspreis. Zudem vermieten wir ebenfalls Abfallcontainer und bewirtschaften diese. Reich wird man dadurch nicht. Da die Löhne in der Schweiz im Vergleich zum Ausland so hoch sind, lohnt sich das Recycling meist nicht.
Wir bilden auch Lernende aus. Nur die wenigsten wissen, dass es eine Ausbildung zum/zur Recyclist/in EFZ gibt in der Schweiz.
Möchtest du uns noch etwas mit auf den Weg geben?
Achtet bei euren Einkäufen darauf, woher die Produkte kommen. Kauft keine Billigware aus Asien. Zahlt lieber etwas mehr Geld für Produkte aus der Schweiz, die halten dann meistens auch länger. Zudem möchten wir darauf hinweisen, dass Elektroautos nicht wirklich nachhaltiger sind und uns nicht jetzt, aber Jahre später noch beschäftigen werden.